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Digitales Rathaus

Tag der Erinnerungen am Hofer Hauptbahnhof

Anlässlich der Ankunft der Prager Züge vor 35 Jahren haben am 1. Oktober verschiedene Veranstaltungen im Königssaal des Hofer Hauptbahnhofs stattgefunden, die Zeitgeschichte lebendig werden ließen.

Symbolträchtig startete das Erinnerungsprogramm um 6:14 Uhr mit einem Frühstück, an dem Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, Protagonistinnen und Protagonisten sowie Akteurinnen und Akteure der damaligen Hilfsorganisationen teilnahmen: Caritas, Rotes Kreuz, Feuerwehr, Polizei und Verwaltung. Gemeinsam schwelgten die Gäste beim Frühstück in Erinnerungen an eine Zeit, die viele von ihnen als „unbeschreiblich“ bezeichnen.

Oberbürgermeisterin Eva Döhla begrüßte die Gäste persönlich und berichtete von ihren eigenen Erinnerungen an den 1. Oktober 1989. „6:14 Uhr! Heute schauen wir auf die Uhr! 1989 hat bestimmt niemand von Ihnen so bewusst auf die Uhr geschaut! Sie alle haben tatkräftig geholfen, haben weder Zeit noch Einsatz gescheut, um anzupacken an einem der wohl spektakulärsten Tage der Geschichte Hofs.“

Besonders bewegend war der Bericht des Zeitzeugen Hans-Joachim Weber, der damals beim Auswärtigen Amt arbeitete und an die Deutsche Botschaft nach Prag entsendet wurde. Dort erlebte er die Botschaftsbesetzung der Zufluchtssuchenden aus der DDR mit. Als am 30. September 1989 die Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland genehmigt wurde, saß Weber im ersten Zug nach Hof. Mit großer Emotionalität schilderte er die chaotischen, aber auch herzlichen Szenen rund um die Ankunft der ersten DDR-Flüchtlinge am Hofer Hauptbahnhof. „Es war unbeschreiblich“, sagte Weber mehrmals und erinnerte daran, wie die Menschen, oft nur mit einer Plastiktüte in der Hand, die Flucht ergriffen. Die Hilfsorganisationen haben damals Großes geleistet, um die Geflüchteten in Hof zu empfangen und zu unterstützen. „Diese Herzlichkeit, die uns entgegengebracht wurde, werde ich nie wieder vergessen“, so Hans-Joachim Weber.

Markus Rindt berichtete ebenfalls von seinen Erlebnissen am 1. Oktober. Mit seiner damaligen Freundin floh er in die Prager Botschaft. Bereits in seiner Kindheit hatte er Fluchtgedanken, die er 1989 an jenem Tag umsetzte. Rindt saß im zweiten Zug, der in Hof ankam. Auch er berichtete von der großen Hilfsbereitschaft der Hoferinnen und Hofer: „Die Menschen haben uns umarmt, uns Blumen geschenkt, mit Essen und Getränken versorgt. Es war überwältigend, wie wir hier aufgenommen wurden. Das werde ich nie vergessen.“

Der Hofer Hauptbahnhof wurde 1989 über Nacht zum Mittelpunkt des Weltgeschehens und damit zu einem historisch relevanten Ort.

Aus diesem Grund wurde der Hauptbahnhof von der Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte ausgezeichnet. Dr. Kai-Michael Sprenger, Stiftungsdirektor, und die Bundestagsabgeordnete Marianne Schieder überreichten gemeinsam die Plakette an die Stadt Hof und die Deutsche Bahn. Der Hofer Hauptbahnhof ist der erste Bahnhof in Deutschland, der diese Plakette erhält, und reiht sich so in eine Vielzahl demokratiehistorischer Erinnerungsorte ein. Die mit den Orten verbundenen Ereignisse, Personen und Prozesse sollen als positive Orientierungspunkte für eine zeitgemäße Demokratiebildung der breiten Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden. MdB Marianne Schieder betonte in ihrer Ansprache, dass Demokratie kein Zustand, sondern ein laufender Prozess ist, der Haltung, Mut und Besonnenheit fordert.

Nach dem Frühstück wurde der Film „Zug in die Freiheit“ mit anschließender Gesprächsrunde gezeigt. Schülerinnen und Schüler des Schiller-Gymnasiums besuchten die Filmvorstellung und hatten die Gelegenheit, mit Hans-Joachim Weber und Markus Rindt persönlich ins Zeitzeugengespräch zu kommen.

Um 15 Uhr fand der offizielle Empfang der Stadt Hof statt. Neben geladenen Vertreterinnen und Vertretern der Hilfsorganisationen sowie Gästen aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft waren auch Hoferinnen und Hofer unter den Gästen. Vor der Begrüßung durch Oberbürgermeisterin Eva Döhla hörten die Anwesenden noch einmal den historischen Halbsatz des damaligen Außenministers Hans-Dietrich Genscher, mit denen er den Menschen, die im Garten des Palais Lobkowicz ausharrten, verkündete, dass ihre Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland möglich geworden war.

„Das war der Startschuss für Hof. Vor 35 Jahren standen wir im Mittelpunkt des Weltgeschehens, als die Züge aus Prag hier ankamen und Tausende Menschen in die Freiheit entließen. Dieser Moment ist nicht nur ein Kapitel Weltgeschichte, sondern ein ganz prägender Teil unserer Identität als Stadt. Die Erinnerungen an diese Zeit sind für uns von großer Bedeutung, denn sie zeigen, wie Hof als prägender Ort für die Einheit und Menschlichkeit eine Brücke zur Freiheit geschlagen hat. Unsere Aufgabe ist es, diese Erinnerungen zu bewahren und zu pflegen, um den Wert von Freiheit und Demokratie an kommende Generationen weiterzugeben“, so Eva Döhla.

Auch Juliane Seifert, Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern und für Heimat, Dr. Ivana Červenková, Generalkonsulin der Tschechischen Republik, und Prof. Thomas Popp, Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung Freistaat Sachsen, betonten in ihren Redebeiträgen die Relevanz der Ereignisse von 1989/90 für die heutige Gesellschaft.

Der Tag wurde mit einer launigen Lesung des bekannten tschechischen Schriftstellers, Drehbuchautors, Dramatikers und Musikers Jaroslav Rudiš beschlossen. Er las aus seinen beiden Werken „Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen“ und „Weihnachten in Prag“.

Jürgen Stader, Projektleiter und Organisator des „Tages der Erinnerungen“ betont: „Der 1. Oktober 1989 und die folgenden Tage der Grenzöffnung sind historisch und emotional prägend für die jüngere Stadtgeschichte. Die Bedeutung der Stadt Hof für Tausende Menschen ist mit vielen positiven Erlebnissen verbunden. Das sollte auch uns stolz und glücklich machen.“

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